Unternehmensbewertung (ADVISORY)

Die Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen zu verschiedensten Anlässen zählt tendenziell zu den traditionelleren Aufgaben von Wirtschaftsprüfer*innen. Unternehmensbewertungen sind komplexe Einzelfallbeurteilungen auf der Basis vieler betriebswirtschaftlicher Informationen. Gegenstand der Betrachtung sind dabei vor allem zukunftsorientierte Informationen in Form von Planungsrechnungen. Häufig sind Unternehmensbewertungen Grundlage für den Kauf oder Verkauf von Unternehmen oder Unternehmens(an)teilen, aber auch darüber hinaus gibt es eine Vielzahl möglicher Bewertungsanlässe

Anlässe für (Unternehmens-)Bewertungen

Die Anlässe für Unternehmensbewertungen können unterteilt werden in Unternehmensbewertungen

  • aus unternehmerischen Initiativen (z.B. Kauf/Verkauf von Unternehmen, Fusionen, Zuführungen von Eigen- oder Fremdkapital, Börsengang),
  • auf Grund gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (insb. aktienrechtlichen),
  • aus Gründen der externen Rechnungslegung (z.B. Kaufpreisallokation, Impairmenttest),
  • aus steuerrechtlichen Gründen (z.B. konzerninterne Umstrukturierung) oder auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften,
  • auf Grund vertraglicher Vereinbarungen (z.B. Ein-/Austritt von Gesellschaftern, Erbauseinandersetzungen) oder
  • aus sonstigen Gründen.

Neben der Bewertung von ganzen Unternehmen oder Teilen davon sind auch Bewertungen einzelner Vermögenswerte und Schulden häufig gefragt. So werden bspw. Immobilien nicht nur zur Wertbestimmung im Kauf- bzw. Verkaufsfall bewertet, sondern ggf. auch, um die Werthaltigkeit von Immobilien im Anlagevermögen nachzuweisen.

Inhalt des Unternehmenswerts

Der Wert eines Unternehmens ergibt sich üblicherweise aus der Diskontierung (Barwert) der künftigen finanziellen Überschüsse, die bei Fortführung des Unternehmens erwirtschaftet werden und den Kapitalgebern aufgrund ihrer jeweiligen Ansprüche zustehen (Zukunftserfolgswert).

In den meisten Fällen erfolgt die Planung in zwei Phasen:

  1. Detailplanungsphase: In der ersten Phase, die häufig einen überschaubaren Planungshorizont von drei bis fünf Jahren umfasst, wird die Entwicklung des Unternehmens anhand detaillierter Erwartungen prognostiziert.
  2. Phase der ewigen Rente: Für die Ermittlung der ewigen Rente bei unbegrenzter Lebensdauer wird auf ein nachhaltiges Basisjahr abgestellt. Dabei handelt es sich nicht um ein weiteres Planjahr für ein spezifisches künftiges Jahr, sondern um die typisierende Abbildung eines durchschnittlichen annuitätischen Jahres für alle dem Planungshorizont nachfolgenden Jahre.

Die Zukunftserfolgsplanung hat auf Annahmen zu beruhen, die plausibel, d.h. nachvollziehbar, konsistent und frei von Widersprüchen sind.

Zur Diskontierung auf den Barwert wird ein risikoadäquater Kapitalisierungszinssatz verwendet, der die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage repräsentiert.

Allgemeine Grundsätze der Unternehmensbewertung

Die konzeptionellen Grundlagen, die Wirtschaftsprüfer*innen bei Unternehmensbewertungen anwenden, sind in dem IDW Standard: „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen” (IDW S 1 i.d.F. 2008) zusammengefasst. Hier werden u.a. die folgenden Grundsätze formuliert:

1. Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks: Eine sachgerechte Unternehmenswertermittlung setzt voraus, dass mit der Auftragserteilung festgelegt wird, aus welchem Anlass und zu welchem Zweck die Unternehmensbewertung durchgeführt wird, sowie in welcher Funktion (neutraler Gutachter, Berater oder Schiedsgutachter) der Wirtschaftsprüfer tätig wird.

2. Zahlungsstromorientierung: Wertbestimmend sind nur diejenigen Zukunftserfolge des Unternehmens, die als Nettoeinnahmen in den Verfügungsbereich der Kapitalgeber gelangen können (Zuflussprinzip). Zur Ermittlung der Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner sind die Thesaurierungen finanzieller Überschüsse des Unternehmens sowie die Verwendung nicht ausgeschütteter Beträge zu berücksichtigen. Diese Beträge können zur Investition, zur Tilgung von Fremdkapital oder zur Rückführung von Eigenkapital verwendet werden.

3. Wert und Preis von Unternehmen und Unternehmensanteilen: Der als Zukunftserfolgswert ermittelte Unternehmenswert bzw. Wert von Unternehmensanteilen ist zu unterscheiden von den Preisen für diese. In der Realität sind die Marktteilnehmer regelmäßig unvollständig informiert und mit Transaktionskosten belastet, so dass nicht allein auf einzelne Börsenpreise abgestellt werden kann. In dem Umfang, in dem unterschiedliche Informationen, individuelle Aspekte wie mögliche Veränderungen des Geschäftsmodells an Bedeutung gewinnen, können als Zukunftserfolgswert ermittelte Unternehmens- und Anteilswerte mehr oder weniger stark von an dem jeweiligen Markt beobachtbaren Preisen abweichen.

Ungeachtet dessen sind tatsächlich gezahlte Preise für Unternehmen/Unternehmensanteile grundsätzlich zur Plausibilitätsbeurteilung von nach einem Zukunftserfolgswertverfahren ermittelten Unternehmens- und Anteilswerten heranzuziehen.

4. Bewertung der wirtschaftlichen Unternehmenseinheit: Unternehmen sind zweckgerichtete Kombinationen von materiellen und immateriellen Vermögenswerten, durch deren Zusammenwirken finanzielle Überschüsse erwirtschaftet werden sollen. Der Wert von Unternehmen ergibt sich daher aus einer Gesamtbewertung und lässt sich grundsätzlich nicht aus der Summe der Werte der einzelnen Vermögenswerte abzgl. Schulden bestimmen. Dabei muss das Bewertungsobjekt nicht mit der rechtlichen Abgrenzung des Unternehmens identisch sein.

Die Gesamtbewertung erfolgt im Zukunftserfolgswertverfahren dadurch, dass alle mit dem Unternehmensvermögen verbundenen Zukunftserfolge aus einer integrierten Planungsrechnung für das Bewertungsobjekt abgeleitet werden. Bei Vermögenswerten, deren Zukunftserfolge in der Planung nicht oder nur unvollständig abgebildet werden, sind die Zukunftserfolge entweder so anzupassen, dass eine volle Abbildung gewährleistet ist, oder diese sind dem Zukunftserfolgswert als gesondert bewertetes Vermögen hinzuzurechnen.

5. Stichtagsprinzip: Die Ermittlung von Unternehmenswerten erfolgt zeitpunktbezogen auf den Bewertungsstichtag. Dieser kann z.B. vertraglich vereinbart oder gesetzlich bestimmt sein.

6. Prognose der Zukunftserfolge: Aufbauend auf der Vergangenheitsanalyse ist die Zukunftserfolgsplanung zu entwickeln, aus welcher sich die künftigen finanziellen Überschüsse ergeben. Hierzu ist eine Analyse der erwarteten leistungs- und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens unter Berücksichtigung der erwarteten Markt- und Umweltentwicklungen erforderlich. Dabei ist zur Ableitung der Zukunftserfolgsplanung die Planung des Managements als Ausgangsbasis (mit) heranzuziehen, soweit diese für Zwecke der Unternehmensbewertung geeignet ist. Insbesondere ist zu untersuchen, ob die geplanten finanziellen Überschüsse Erwartungswerte darstellen. Das für handelsrechtliche Abschlüsse geltende Vorsichtsprinzip bspw. ist aufgrund der Ungleichgewichtung zugunsten des Gläubigerschutzes für Unternehmensbewertungen nicht zweckgemäß.

7. Berichterstattung und Nachvollziehbarkeit der Bewertungsansätze: Ermittelte Unternehmenswerte basieren regelmäßig auf vielen Prämissen, die erheblichen Einfluss auf das Bewertungsergebnis haben. In ihrer Berichterstattung haben Wirtschaftsprüfer*innen daher in verständlicher Form darzulegen, auf welchen wesentlichen Annahmen der ermittelte Unternehmenswert beruht.

WIE KÖNNEN WIRTSCHAFTSPRÜFER UNTERSTÜTZEN?

Wirtschaftsprüfer*innen können bei Unternehmensbewertungen in folgenden Funktionen tätig werden:

  • Neutraler Gutachter: In der Funktion als neutraler Gutachter sind Wirtschaftsprüfer als Sachverständige tätig, die mit nachvollziehbarer Methodik und ungeachtet von den individuellen Vorstellungen der jeweiligen Parteien einen Sachverhalt bewerten (siehe hierzu auch das Fact Sheet „Gutachterliche Tätigkeiten“ unter „Assurance“).
  • Berater: In der Beraterfunktion agieren Wirtschaftsprüfer im Interesse ihrer Auftragsgeber. Dabei ermitteln sie subjektive Entscheidungswerte. Wenn ihr Auftraggeber ein Unternehmen verkaufen will, ermitteln sie z.B. den Wert, den er mindestens verlangen muss, um sich durch die Transaktion nicht schlechter zu stellen (Preisuntergrenze). Vertreten sie dagegen einen potenziellen Käufer, ermitteln sie denjenigen Wert, der höchstens für das Unternehmen angelegt werden sollte (Preisobergrenze).
  • Schiedsgutachter: In der Schiedsgutachterfunktion ermitteln Wirtschaftsprüfer in einer Konfliktsituation unter Berücksichtigung der verschiedenen subjektiven Wertvorstellungen der Parteien einen Einigungswert.
  • Darüber hinaus können Wirtschaftsprüfer*innen auch als Sachverständige Stellung nehmen, so bspw. im Rahmen sog. Fairness Opinions nach dem IDW Standard: „Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions“ (IDW S 8) zur finanziellen Angemessenheit von Transaktionspreisen. Fairness Opinions sind fachliche Stellungnahmen zu dem Ergebnis eines Entscheidungsprozesses, insb. zur finanziellen Angemessenheit eines Transaktionspreises. Sie kommen typischerweise bei unternehmerischen Initiativen zum Einsatz, die häufig mit zeitlichen Restriktionen und eingeschränktem Informationszugang einhergehen.